Die Rodelpartie

Es war im Jänner 1998, als ich früher denn je aufstehen musste, um vor der Schule in der eisigen Kälte auf einen Bus zu warten, der die ganze Klasse nach Haus im Ennstal bringen sollte. Eine halbe Stunde später als geplant kam dieser dann endlich und wir konnten die angenehme Wärme genießen, während wir noch kälteren Orten entgegenfuhren. Unsere eigentliche Aufgabe bestand darin, das Skifahren zu erlernen beziehungsweise vorhandenes Können zu trainieren oder zu verbessern, was allerdings auf einen Nachmittag nicht zutraf. Statt wie üblich mit Schiern die bekanntesten Pisten der Umgebung unsicher zu machen, liehen wir uns Schlitten aus.

Das Gehen fiel den meisten sehr schwer, da wir direkt von der Schipiste zu der Rodelbahn geführt wurden und noch unsere ziemlich schweren Schischuhe trugen. So stapften wir durch den Schnee in die Richtung, in der sich der Lift befand, welcher uns eng aneinander gepresst auf den Berg brachte. Dort setzten sich immer zwei Personen auf einen Schlitten und warteten, bis sie fahren durften. Wer vorne saß, musste die Aufgabe des Lenkens und des Bremsens übernehmen, während der Schüler, der hinten saß, die Fahrt genießen, aber jederzeit ebenfalls bremsen konnte. Ich besetzte zusammen mit Daniel Hofer einen Schlitten und übernahm die anspruchsvollere Position, was mein Beifahrer danach noch sehr bedauerte. Als mir klar wurde, dass dies meine erste lange Schlittenfahrt werden sollte und ich nicht erkennen konnte, wie steil die Strecke wirklich war, wurde ich ängstlich. Da aber Daniel Hofer den Schlitten schon langsam vorwärts bewegte, blieb mir nichts Anderes [Verbesserung der Lehrerin: »nichts anderes«] übrig, als mich in das Vergnügen zu stürzen. Plötzlich verschwand meine Angst und ich wurde geschwindigkeitssüchtig. Als wir den erste Schlitten überholten, was gleich nach unserem Start geschah, musste ich einen Freudenschrei ausstoßen. Gleich darauf erreichten wir die erste Kurve und hatten unseren ersten Unfall, weshalb wir auch gleich wieder überholt wurden. Dass meine Fahrkünste sehr zu wünschen übrig lassen, wurde ein paar kurven weiter bei einem Aufprall auf einen Schneehaufen erneut bewiesen. Dieser erfolgte mit einer derartigen Geschwindigkeit, dass wir beide vom Schlitten geschleudert wurden und dann aufeinander auf dem Schneehaufen lagen. Nach einigen Kurven beherrschte ich das Lenken bereits etwas besser, was Daniel sehr erleichterte. Wir überholten erbarmungslos immer mehr Schüler, obwohl einige mit Schneebällen auf andere Fahrer schossen. Diese konnten uns jedoch nicht viel anhaben, da wir unsere Schibrillen trugen, welche unsere Gesichter schützten. Nach einer beachtlichen Strecke sahen wir vor uns zwei unglaublich dicke Mädchen fahren. Durch ihr Gewicht wurde derartig viel Schnee in die Luft geschleudert, dass wir kaum etwas zu sehen vermochten. So rammten wir sie letztendlich in einer Kurve. Sie waren schnell wieder auf ihrem Schlitten und fuhren weiter, aber wir hatten ein paar Probleme und benötigten deshalb etwas mehr Zeit. Doch dann kamen wir blitzschnell und problemlos voran. Mein Kollege schlug mir vor etwas näher an den Rand zu fahren um die Gefahr mit Konkurrenten zu kollidieren zu verringern. Ich befolgte seinen Rat und wir hörten hinter uns ein Krachen und ein Schreien, als hätten wir einen Fahrer, der uns überholen wollte, von der Bahn gedrängt. Doch dann wurden wir so schnell, dass sich der Schlitten seitlich überdrehte und Daniel Hofer auf die andere Seite der Bahn warf. Nachdem wir uns wieder aufgerichtet hatten, kamen so viele Rodeln, dass mein Sitznachbar die Bahn nicht überqueren konnte, was mich höchst ungeduldig machte. Als der Verkehr kurz unterbrochen wurde, nahmen wir die Verfolgung auf und waren bald wieder auf unserer alten Position. Doch dann trat wieder meine Schwachstelle in Aktion. In einer Kurve rutschten meine Füße nach hinten direkt unter Daniels Beine. Weil wir beide unsere schweren Schischuhe angezogen hatten, konnten wir uns nicht mehr entfesseln und fast überhaupt nicht lenken. So rasten wir den geraden Weg entlang und erkannten vor uns die zwei Schwergewichte, mit denen wir schon einmal zusammengestoßen waren. Eines der beiden sah nach hinten und schrie, als es uns wiedererkannte. Verzweifelt versuchten wir mit aller Kraft zu steuern, was uns auch ein wenig gelang. Doch durch unsere ungewöhnliche Körperhaltung passierte es, dass wir der hinteren, guternährten Jugendlichen mit Daniel Hofers Fuß in das Gesäß traten. Aufgrund dieses Unfalles kamen unsere Beine wieder in ihre ursprüngliche Position und wir konnten in Eile weiterfahren. »Fahr langsamer!«, rief mein Beifahrer. »Warum denn?« fragte ich. Bevor er noch antworten konnte, sah ich vor uns eine Wegzweigung und fragte: »Müss´ma nach links oder nach rechts?« »Nach rechts«, antwortete Daniel Hofer lautstark. Wir rammten den Schlitten einer Professorin, die gerade versuchte, ein Chaos, verursacht durch Unfälle, zu schlichten und schleuderten ihn in den Tiefschnee. Doch dann konnten wir gemütlich an der Katastrophe vorbeifahren und problemlos das Ziel erreichen. Als wir zwischen den Bäumen hervorkamen, sahen wir von einem Hügel aus, dass ein sehr steiler Abhang vor uns lag, durch dessen Neigung man die nötige Geschwindigkeit erreichen könnte, um auf der anderen Seite wieder hochzukommen, um den Abgabeplatz der Schlitten zu erreichen. Die Erstankömmlinge hatten nicht daran gedacht, was daran zu erkennen war, dass alle ihre Schlitten über den Hang schleppten. Bedauernswert sah ich auf die Armseligen hernieder, wie sie sich abschleppten ähnlich den Sklaven im alten Ägypten beim Pyramidenbau und raste auf den Abhang zu. Aus irgendeinem Grund erreichte ich jedoch kein ansehnliches Tempo. Die gesucht Erklärung befand sich hinter mir und hieß Daniel Hofer. Ich hatte vergessen, dass hinter mir ein Schulkollege mit schlechten Erfahrungen meiner Fahrkunst saß, der ebenfalls bremsen konnte. So machten auch wir es den Sklaven im alten Ägypten nach.

Seit ich das Gymnasium besuche, war dies der erste Schulausflug der mehrere Tage andauerte. Es folgte 1999 ein weiterer Schikurs, welcher aber nicht so ereignisreich wie der erste war. Was die Folgen der Schlittenfahrt betrifft, so muss ich zugeben, dass Daniel Hofer mich seit dem erst richtig kennt. Bis dahin kannte er mich wahrscheinlich nur als ruhige Person, die hin und wieder bei einem Wutanfall alles vergisst und zu faul ist, um sich in eine Sportart vertiefen zu können.

[Anmerkung der Lehrerin: Ausgezeichnet geschrieben, aber es fehlt ein richtiger Höhepunkt! ]
[Eigene Anmerkungen: Dieser Text hätte eigentlich ein Erlebnisaufsatz werden sollen. Da aber ein Höhepunkt fehlt, handelt es sich um eine Erlebnisschilderung. Die Idee und den Titel zu diesem Text habe ich von Daniel Hofer – wir schrieben beide über das gleiche Thema.]

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