Weihnachtsmann – Scharlatan

Hallo, ich bin das Christkind.
Bin kaum noch bekannt.
War früher ein Star in diesem Land.
Zu Weihnachten war ich ganz groß
Und ohne mich war gar nichts los.

Doch heute schaut das anders aus.
In jedem Haus
Verehrt man einen dicken Greis,
Der alles kann
Und alles weiß.
Sie nennen ihn den Weihnachtsmann.

Erst kürzlich hat man mir gesagt,
Ein Englein sei nicht mehr gefragt.
Die Religion sei schon begraben
Und keiner will mehr Engel haben.

Da nimmt man lieber einen dicken, alten Mann
Und zieht ihm Coca-Cola-Kleidung an.
Auch trägt er Stiefeln wie die der Armee;
So kommt er besser durch den Schnee
Und auch durch jede Pfütze.
Und seinen Kopf ziert eine lächerliche Zipfelmütze.

Und zusätzlich zu seinem Fett
Noch einen weißen Rauschebart.
Dann ist der Nikolaus-Verschnitt komplett.

Offenbar liebt er die Kälte,
Da den Nordpol er als Heimat wählte.
Doch ich bezweifle, dass er friert,
Da sein Umfang Kälte isoliert.

Als Arbeitgeber vieler Elfen
Lässt er viel schuften,
Ohne viel zu helfen.
Und allen Gesetzen wie zum Hohn
Zahlt er nicht einmal den Mindestlohn.

Der Führerschein ist ihm verwehrt,
Weshalb er nun stets Schlitten fährt.
Und davor spannt dann dieser Schuft
Hilflose Rentiere –
Die laufen einfach durch die Luft
Und müssen diesen Fettberg tragen.
Das sollte man mal Greenpeace sagen!

Doch die Tiere fühlen sich wohl,
Denn sie trinken Alkohol.
Das erste ist schon wohlbekannt
Durch Nasenglühen vom Kirschenbrand.

Am Weihnachtsabend landet er auf manchem fremden Dach
Und macht dabei meist jede Menge Krach.
Dann zwängt er sich mit Mühe durch den Schlot,
Doch wenn er unten rauskommt –
Ein anderer wärī schwarz und tot –
Ist er wohlauf
Und seine Kleidung strahlend rot.

Drinnen im Haus rennt
Er dann schnell aus dem Kamin
Und freut sich,
Dass kein Feuer brennt;
Sonst wäre er ja drin.

In jedem einzelnen Gebäude
Stopft er den Zahnärzten zur Freude
Einen Riesenbrocken
Zucker in jeden
Aufgehängten Stinkesocken.

In seinem Beutel
Hat er viele schöne Dinge:
Unterwäsche,
Vorhangringe,
Aschenbecher,
bunte Fächer,
Holzfiguren
Und Plastikuhren.

Den Unrat leert er noch schnell aus;
Dann zwängt er durch den Schornstein
Sich wieder aus dem Haus.

Der Schornsteintrick erstaunt mich sehr;
Doch nutzt er heute fast nichts mehr.
Die Frage, die mich reizt:
Was macht er in den Wohnungen,
In denen man mit Erdgas heizt?

Doch wenn ich jetzt bedenke,
Was er alles kann –
Für einen Greis zu viel –
Dann kriecht er durch die Rohre
Und kommt aus dem Ventil.

Michael Treml, 2004

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