Des Winters Schleier

Was sonst in Farbenpracht erstrahlt ist nun von weißer Pracht bedeckt. Des Himmels Wasser schwebt nunmehr sanft hernieder und legt sich sacht auf alle Ebenen. Es wiegt sich still die Flocke in bewegter Luft. Die Stille dominiert und Ruhe wacht über Straßen und Wege. Gleichsam einem Traum verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und märchenhafter Schönheit.

Draußen treibt der Wind das zarte Pulver; Wie Dampf steigt es empor. Es scheint als stünden heiße Quellen der Erholung in der eisigen Kühle. Auch von des Daches weißer Decke löst sich das Feine. Und es tanzt durch die Lüfte. Des Windes Hauch zaubert Muster in den schwebenden Schleier, die denen eines bewegten Tuches gleichen.

Die Decke, die bisweilen das Licht verbarg, vergeht gemächlich. Und der goldene Schein des Lebens fällt in den Schleier, der mit silbernem Funkeln reagiert. Weder hundert Lichter noch tausend Brillianten sind eindrucksvoller als dieses göttliche Schauspiel. Die schimmernden Wogen sind von himmlischen Glanz; Ein Stück des Paradieses kommt auf die Erde. Der Schleier ist feiner als die teuerste Seide und zugleich durchlässig und vergänglich.

Noch strahlt das sanfte Lichtermeer in den lebensspendenden Strahlen. Der Tanz dauert weiter an und graziös schwingt das Gefunkel. Eine endlose Welle blinkender Lichter kommt langsam hernieder. Anfang und Ende verschmelzen in sanften Übergängen mit der Umgebung.

Doch nicht für die Ewigkeit bestimmt ist dieses wunderbare Phänomen. Allmählich wandelt sich das Blinken; Erloschene Lichter erleuchten kein weiteres Mal. So vergeht letztendlich der Schleier und es bleibt nichts, als eine traumhafte Erinnerung.

Michael Treml
Jänner 2003

 Startseite     Impressum     E-Mail     Forum     Recht     Hilfe

© www.michael-treml.com